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EuropaTour 2018: Wie viel Europa steckt eigentlich in Thüringen?

Wie viel Europa steckt eigentlich in Thüringen? Dieser Frage ging die europapolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringen, Madeleine Henfling, im Rahmen ihrer „Europatour“ vom 27. Februar bis 2. März 2018 auf den Grund.
Dazu besuchte sie verschiedene Institutionen und Projekte in Thüringen, die durch EU-Mittel gefördert wurden sowie Einrichtungen, die sich mit dem Europagedanken beschäftigen und das europäische Miteinander stärken.

Die Europatour begann am 27. Februar 2018 mit dem Besuch der Gemeinschaftsschule am Roten Berg Erfurt, die seit Mai 2017 den Titel Europaschule trägt. Schulleiter Falko Stolp informierte über seine Arbeit als einer von zwei Erasmusreferent*innen in Thüringen, die Schulen von den vielfältigen Möglichkeiten des EU-Projektes Erasmus+ und der Lern- und Kommunikationsplattform eTwinning begeistern sollen. Einer der jährlichen Höhepunkte wird wieder die Europawoche vom 2. bis 15. Mai 2018 sein, wo sich in spannenden Diskussionsrunden, Projekten und Ausstellungen alles rund um das Thema Europa dreht. Insgesamt steht für den engagierten Lehrer und Erasmusreferenten allerdings fest: Das Thema Europa sollte im Lehrplan eine bedeutendere Rolle spielen, um Demokratie und Zusammenhalt in Europa nachhaltig zu stärken.

Danach ging es zur Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen (STIFT). Die in Erfurt ansässige und 1993 vom Freistaat Thüringen gegründete Stiftung ist neben der IHK eine der beiden Thüringer Partner*innen im Enterprise Europe Network, welches mit rund 600 Partner*innenorganisationen in 67 Ländern das weltweit größte Technologie-Service-Netzwerk, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), darstellt. Die Stiftung informiert und berät KMU und Forschungseinrichtungen über EU-Förderprogramme wie beispielsweise Horizon2020 und vermittelt sowie begleitet grenzüberschreitend zwischen Netzwerkpartner*innen, um Geschäfts-, Technologie- und Forschungskooperationen auszubauen. Positiv ist festzustellen, dass gerade im Umweltbereich verstärkt Innovationen aus Thüringen gefragt sind und hier bereits einige Kooperationen entstanden.

In Eisenach stellte uns Ingo Wachtmeister, Dezernent für Bildung, Jugend, Kultur und Soziales anschließend gemeinsam mit seinen Kolleg*innen das durch Europäischer Sozialfonds (ESF)-Mittel geförderte Projekt zur „Förderung der Kompetenz lokaler Akteur*innen in der Armutsprävention“ vor. Der in diesem Rahmen entstandene Sozialmonitor umfasst eine bedarfsgerechte Analyse der sozialen Verhältnisse vor Ort. Dies kann dabei helfen, die Entwicklungen des demografischen Wandels sowie von Gleich- und Ungleichverteilung in der Kommune zu erkennen und entsprechende Verbesserungen der sozialen Infrastruktur zu entwickeln.

In Eisenach-Stedtfeld besuchten wir anschließend eines der größten und aufgrund der erheblichen Gefährdung der Stadt Eisenach eines der wichtigsten Hochwasserschutzprojekte in Thüringen. Mit einem Fördervolumen von 60 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) konnten bisher ca. 1,2 km Deichanlagen zurückgebaut, rund 200 m Deich neu errichtet und ca. 300 m Deich ersatzneugebaut werden. Entlang der Hörsel konnten Straßenführungen angepasst, Brücken neu gebaut sowie das Rad- und Gehwegenetz umgestaltet werden. Ebenso bekommt Natur Raum zurück: Durch Aufweitung mit Kiesbänken sowie weiteren Strukturelementen wird wertvoller Lebensraum für Pflanzen und Tiere geschaffen. Gleichzeitig macht die Ufergestaltung mit flacheren Ufern und Zugängen die Hörsel für Menschen wieder neu erlebbar.

Am 28. März 2018 besuchten wir die Justizvollzugsanstalt (JVA) Tonna. Im Rahmen des ESF wird hier über das Bildungsprogramm B.I.S.S. (Berufsbildung und (Re-)Integration Strafgefangener und Strafentlassener) Inhaftierten eine Berufsausbildung ermöglicht, beispielsweise im Bereich Holzverarbeitung, Maler oder Elektrotechnik. Insgesamt konnten zwischen 2008 und 2016 25 Prozent der Inhaftierten aus- oder weitergebildet werden. Inhaftierte nicht „abzustempeln“ oder „abzuschreiben“, sondern ihnen durch Bildung Chancen und eine Perspektive für ein eigenständiges Leben ohne Straftaten zu eröffnen, ist eine wichtige Maßnahme zur Bekämpfung der Armut und zur Kriminalprävention.

 

Anschließend ging es zum Baumkronenpfad und dem Parkzentrum des Nationalpark Hainich, welches mit Hilfe des EFRE in Höhe von 2,1 Millionen Euro sehr erfolgreich gefördert worden ist: Die Ausstellung „Entdecke die Geheimisse des Hainich“, die „Wurzelhöhle“ und der Baumkronenpfad ziehen jährlich rund 200.000 Besucher*innen an. Seit 2011 ist der Nationalpark Hainich Teil der UNESCO-Welterbestätte „Buchenurwälder der Karpaten und Alte Buchenwälder Deutschlands“. Dieses Thema soll nun mit Hilfe der Förderung aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) 2014-2020 in das Nationalparkzentrum integriert werden.

Weiter ging es zu einem Stadtrundgang nach Mühlhausen. Viele historische Orte sind hier in der mittelalterlichen Stadt durch EU-Gelder gefördert worden. So beispielsweise die Marienkirche, in deren Restaurierung 2,5 Millionen Euro aus dem EFRE flossen. Der Direktor der Mühlhäuser Museen Dr. Thomas T. Müller zeigte uns ebenso das Mühlhäuser Bauernkriegsmuseum in der Kornmarktkirche sowie das Kulturhistorische Museum.

Das Thüringer Landesamt für Verbraucher*innenschutz (TLV) in Bad Langensalza stellte an diesem Tag den letzten Termin dar. Hier erhielten wir Informationen zum Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen sowie einen Überblick über die Überwachungs- und Kontrollaufgaben in den Bereichen Tierseuchen und Lebensmittelüberwachung. Gerade in einer globalisierten Welt mit wachsendem Warenverkehr spielen Verbraucher*innenrechte eine immer bedeutendere Rolle. So werden im TLV Lebensmittel auf der Grundlage europäischer und nationaler Rechtsvorschriften auf allen Ebenen von der Erzeugung bis zum Handel amtlich kontrolliert – bis zu 10.000 Lebensmittelproben jährlich. Gesundheitlich relevante Funde werden mit dem europäischen Schnellwarnsystem Rapid Alert System for Food and Feed 

(RASFF) auf dem Behördenweg weitergeleitet, um dann gegebenenfalls aus dem Verkehr gezogen zu werden. Thüringen stellte 2016 auf dem Informationsportal www.lebensmittelwarnung.de drei Meldungen über nicht sichere Lebensmittel ein und schloss sich in 85 Fällen Meldungen anderer Länder an, da die in diesen Meldungen genannten Lebensmittel auch in Thüringen in den Verkehr gebracht worden waren.

Am 1. März 2018 besuchten wir das Eine Welt Netzwerk Thüringen e. V. (EWNT), welches seit 2005 als Dachverband die Aufgaben eines entwicklungspolitischen Landesnetzwerkes übernimmt und damit über 40 Vereine, Institutionen und Einzelpersonen in ganz Thüringen vertritt. Neben Netzwerkarbeit engagiert sich der Verein mit Projekten u.a. zu globalem Lernen und Nachhaltigkeit. Wir waren sehr erfreut, bei unserem Besuch vier neue Eine Welt Promotor*innen kennenlernen zu können, die als Fachpromoter*innen thüringenweit für die Themen Klima, Umwelt, Entwicklung, Migration, Diaspora und Entwicklung tätig sind. Somit können Akteur*innen in ganz Thüringen unterstützt und gestärkt werden, die sich für gesellschaftliche und politische Veränderungen einsetzen – für mehr globale Gerechtigkeit und eine nachhaltige Entwicklung.

Im Abschluss der Europatour resümiert die europapolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landtagsfraktion Thüringen, Madeleine Henfling:
„Es war eine spannende und themenreiche ‚Europatour‘ durch Thüringen, die konkret zeigt, dass viel mehr Europa in unserem Freistaat steckt als so oft vermutet. Denn viele Projekte konnten erst durch EU-Mittel wie beispielsweise aus dem EFRE, ELER oder ESF umgesetzt werden.
Doch Europa in Thüringen zeigt sich nicht nur in Strukturfonds und den finanziellen Mitteln aus Brüssel, sondern gleichzeitig in Vereinen, Netzwerken, Institutionen und Projekten, die sich mit dem Europagedanken beschäftigen und dazu beitragen, die europäische Idee von Frieden, Demokratie und Solidarität umzusetzen und zu stärken – eine Aufgabe heute wichtiger denn je!“